Recht - Auto & Verkehr Informationsbrief Nr. 61

Verweis auf freie Werkstatt
Standgeldkosten eingeschränkt
Transportkostenvorschuss vor Nacherfüllung

Sehr geehrte Damen und Herren,

der Verweis auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit bei der fiktiven Abrechnung eines Verkehrsunfallschadens beschäftigt seit vielen Jahren die Gerichte bis zum BGH (Bundesgerichtshof).

Der BGH hat nun in einer aktuellen Entscheidung vom 07.02.2017 (NJW 30/2017, Seite 2182) entschieden:

Der Schädiger kann den Geschädigten gem. § 254 II BGB auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne Weiteres zugänglichen "freien" Fachwerkstatt verweisen, wenn er darlegt und beweist, dass eine Reparatur in dieser Werkstatt vom Qualitätsstandard her der Reparatur in einer markengebundenen Werkstatt entspricht und wenn er gegebenenfalls vom Geschädigten aufgezeigte Umstände widerlegt, die diesem eine Reparatur außerhalb einer markengebundenen Werkstatt unzumutbar machen würden.

Mit der vorgenannten Entscheidung setzt der BGH seine verweisungsfreundliche Tendenz fort.
Nicht die subjektive Sicht des Geschädigten ist für die Zumutbarkeit der Verweisung maßgeblich, sondern die Sichtweite eines ordentlichen und verständigen Menschen. Legt man einen objektiven Maßstab zugrunde, wird es eher als bei der subjektiven Sichtweise zu einer zumutbaren Verweisung kommen können.
Mit der Frage der Unzumutbarkeit hat sich der BGH sowie auch viele Obergerichte bereits mehrfach befasst.

Danach ist die Reparatur in einer freien Fachwerkstatt für den Geschädigten im Allgemeinen dann unzumutbar, wenn das beschädigte Fahrzeug im Unfallzeitpunkt nicht älter als 3 Jahre war.

Auch bei Kraftfahrzeugen, die älter als 3 Jahre sind, kann es für den Geschädigten unzumutbar sein, sich auf eine technisch gleichwertige Reparaturmöglichkeit außerhalb der markengebundenen Fachwerkstatt verweisen zu lassen, was insbesondere dann der Fall sein kann, wenn der Geschädigte sein Fahrzeug bisher stets in einer markengebundenen Fachwerkstatt hat warten und reparieren lassen.
Schließlich ist eine Reparatur in einer freien Fachwerkstatt für den Geschädigten weiter dann unzumutbar, wenn sie nur deshalb kostengünstiger ist, weil ihr nicht die marktüblichen Preise dieser Werkstatt, sondern auf vertraglichen Vereinbarungen mit dem Haftpflichtversicherer des Schädigers beruhende Sonderkonditionen zugrunde liegen.

Anhaltspunkte für eine Unzumutbarkeit können sich außerdem ergeben aus einem zusätzlichen Zeitaufwand für den Transport, etwa an einen weiter entfernten Reparaturort, auch wenn dieser Transport kostenlos für den Geschädigten ist, ergeben. Weiterhin besteht hierbei die Gefahr zusätzlicher Schäden bei längeren Transportstrecken des Fahrzeuges des Geschädigten an einen anderen Reparaturort.
Ein weiteres Unzumutbarkeitskriterium ist auch der dem Geschädigten zugemutete Aufwand bei der Geltendmachung etwaiger Nacherfüllungsansprüche im Rahmen der Gewährleistung bei mangelhaften Reparaturleistungen, wenn das Fahrzeug wiederum vom Wohnort des Geschädigten in einen weiter entfernten Ort der Nacherfüllung zeitaufwendig transportiert werden muss.

In der Regulierungs-Praxis wird oft übersehen, dass der Geschädigte auch einen Anspruch auf Erstattung der Standgeld-Kosten hat.
Der BGH hat mit einer Entscheidung vom 5. Februar 2013 - VI ZR 363/11 - festgestellt, dass die Standgeldkosten für ein nicht mehr fahrbereites Fahrzeug zu erstatten sind.
Der Kostenmaßstab ist dabei in Höhe der Kosten zu veranschlagen, für die bei anderen gewerblichen Abstellanbietern eine Unterbringung möglich ist. Die Rechtsprechung hat Standgeldkosten in Höhe von 7,50 € bis 8,00 € pro Tag für eine Unterbringung auf dem Freigelände und in Höhe von 10,00 € bis 12,00 € pro Tag für eine Unterbringung in einer Halle zuerkannt. Eine Hallenunterbringung ist allerdings nur dann notwendig und erforderlich und somit erstattungsfähig, wenn aufgrund des unfallbedingt eingetretenen Schadens zu befürchten ist, dass Witterungseinflüsse zu einer Schadenerweiterung führen können.

Die Dauer der erstattungsfähigen Standgeldkosten endet mit Veräußerung bzw. Reparaturbeginn des Fahrzeuges. Im Reparaturfall gehören die Kosten des Aufenthalts des Fahrzeuges während der Instandsetzung selbstverständlich zu den Reparaturkosten und sind insoweit nicht gesondert zu erstatten.
In Bezug auf die Standgeldkosten hat das OLG Koblenz mit Beschluss vom 09.03.2016 (DAR 5/2017, Seite 268/269) nun eine wichtige Einschränkung vorgenommen wie folgt:

"Die Werkstatt darf ihrerseits aber Standgeldkosten nicht für eine beliebig lange Zeit fordern, sondern ihr Anspruch ist unter Schadensminderungsgesichtspunkten von vornherein auf den (Rest-)Wert des Fahrzeuges begrenzt."

Vorstehende Entscheidung sollte jeder Unternehmer unbedingt beachten und zu gegebener Zeit für die Entfernung des Fahrzeuges von seinem Betriebsgelände Sorge tragen. Soweit der Fahrzeugeigentümer auf eine entsprechende Aufforderung mit Fristsetzung nicht reagiert, besteht die Möglichkeit, das Fahrzeug im Wege einer öffentlichen Zwangsversteigerung zu verwerten und den dabei erzielten Erlös bei der Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts zu hinterlegen. Auf Freigabe des hinterlegten Erlöses müsste dann erforderlichenfalls gegen den Standgeldschuldner geklagt werden.

In einer ganz aktuellen Entscheidung hat sich der BGH mit dem Transportkostenvorschuss vor der Nacherfüllung befasst.
Der BGH hat mit Urteil vom 19.07.2017 (VIII ZR 278/16) entschieden,

dass beim Verbrauchsgüterkauf der Käufer eines gebrauchten Pkw dessen Verbringung an den Geschäftssitz des Verkäufers zum Zwecke der Nacherfüllung (Mangelbeseitigung oder Ersatzlieferung) von der vorherigen Zahlung eines Transportkostenvorschusses abhängig machen darf. Ansonsten drohen dem Verkäufer Schadenersatzansprüche (Transport-, Reise- und Reparaturkosten) des Käufers.

Die in Schleswig-Holstein ansässige Klägerin kaufte von der Beklagten, die in Berlin einen Fahrzeughandel betreibt, zum Preis von 2.700,00 € einen gebrauchten Pkw, den die Beklagte in einem Internetportal angeboten hatte. Kurze Zeit nach Übergabe des Fahrzeuges wandte sich die Klägerin wegen eines aufgetretenen Motordefekts an die Beklagte, um mit ihr die weitere Vorgehensweise zur Schadensbehebung im Rahmen der Gewährleistung zu klären. Nachdem eine Reaktion der Beklagten ausgeblieben war, forderte die Klägerin Sie unter Fristsetzung zur Mangelbeseitigung auf. Daraufhin bot die Beklagte telefonisch eine Nachbesserung an ihrem Sitz in Berlin an.
Die Klägerin verlangte daraufhin unter Aufrechterhaltung der gesetzten Frist die Überweisung eines Transportkostenvorschusses in Höhe von 280,00 € zwecks Transports des nach ihrer Behauptung nicht fahrbereiten Pkw nach Berlin bzw. die Abholung des Fahrzeuges durch die Beklagte auf deren Kosten. Nachdem diese sich nicht gemeldet hatte, setzte die Klägerin der Händlerin eine Nachfrist zur Mängelbeseitigung und ließ, als die Beklagte hierauf wiederum nicht reagierte, die Reparatur des Pkw in einer anderen Werkstatt Ihres Vertrauens durchführen. Für ihr entstandene Transport-, Reise- und Reparaturkosten verlangte die Klägerin von der Beklagten Schadenersatz in Höhe von über 2.000,00 €.
Die Vorinstanzen wiesen das von der Klägerin geltend gemachte Begehren als unbegründet zurück. Dem hat der BGH nun mit der vorstehend zitierten Entscheidung widersprochen und grundsätzlich einen Anspruch auf Transportkostenvorschuss vor der Nacherfüllung bejaht.
Nach § 439 Abs. 2 BGB hat der Verkäufer die erforderlichen Kosten der Nacherfüllung, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten, zu tragen.

Hierbei handelt es sich nach der Auffassung des BGH um eine Kostentragungsregelung mit Anspruchscharakter, die die Unentgeltlichkeit der Nacherfüllung gewährleisten soll. Dies begründet in Fällen, in denen eine Nacherfüllung die Verbringung des Fahrzeuges an einen entfernt liegenden Nacherfüllungsort erfordert, weshalb beim Käufer Transportkosten anfallen, nicht nur einen Erstattungsanspruch gegen den Verkäufer. Der Käufer kann nach dem Schutzzweck des Unentgeltlichkeitsgebots vielmehr grundsätzlich schon vorab einen abrechenbaren Vorschuss zur Abdeckung dieser Kosten beanspruchen.

Die vorstehend zitierten Gerichtsentscheidungen sind, soweit kein anderer Hinweis erfolgt, rechtskräftig.

Sollten Sie dazu weitere Informationen wünschen, stehen wir insoweit gerne zu Ihrer Verfügung.

Mit der Weitergabe dieses Informationsbriefes an Ihre Kunden erklären wir uns ausdrücklich einverstanden.

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