Recht - Auto & Verkehr Informationsbrief Nr. 41

1. Schadenspauschalierung bei Nichtabnahme
2. Gleichwertigkeit "freie Werkstatt"

Nimmt nach getätigtem Verkauf eines Neu- oder Gebrauchtwagens der Käufer das Fahrzeug nicht ab, entsteht dem Verkäufer (Händler) ein Schaden.
Verlangt der Verkäufer in einem solchen Fall Schadenersatz, steht es ihm frei, entweder den durch die Nichterfüllung im konkreten Fall entstandenen Schaden nachzuweisen oder gegebenenfalls eine "Schadenspauschale" geltend zu machen.

In Abschnitt V Nr. 2 NWVB ist geregelt:

Im Falle der Nichtabnahme kann der Verkäufer von seinen gesetzlichen Rechten Gebrauch machen. Verlangt der Verkäufer Schadensersatz, so beträgt dieser 15 % des Kaufpreises. Der Schadensersatz ist höher oder niedriger anzusetzen, wenn der Verkäufer einen höheren Schaden nachweist oder der Käufer nachweist, dass ein geringerer oder überhaupt kein Schaden entstanden ist.

Eine derartige Klausel in AGB ist im Hinblick auf die aktuelle Rechtslage in § 309 Nr. 5 a BGB problematisch. Nach dieser Bestimmung darf eine Schadenspauschale nicht den nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge zu erwartenden Schaden übersteigen. Mit den 15 % vom jeweils vereinbarten Kaufpreis wird nicht der Durchschnittsschaden des jeweiligen Verwenders, sondern der "branchenübliche Durchschnittsschaden" pauschaliert. Ob das zulässig ist, erscheint zweifelhaft.

Angesichts der heutigen Strukturen des Vertriebs neuer Kraftfahrzeuge, der enormen Bandbreite bei den einzelnen Fahrzeugarten und des hohen Grades an Individualisierung innerhalb der Kategorie Pkw stößt eine für sämtliche Geschäftsbereiche geltende Pauschalierungsklausel auf Bedenken.

Zu beachten ist, dass die Gewinne im Neuwagenhandel schon seit Jahren deutlich geschrumpft sind und seit einiger Zeit auf niedrigem Niveau stagnieren. Zum Rückgang der Gewinne hat beigetragen, dass der unter massivem Konkurrenzdruck stehende Handel gezwungen ist, erhebliche Preisnachlässe auf Neufahrzeuge zu gewähren. Des Weiteren haben Parallelimporte und der Verkauf von so genannten Tageszulassungen erheblich zugenommen. Aus allem folgt wohl, dass die durchschnittlichen Bruttoerträge deutlich unter 10 % gesunken sind. Nach eigenen Berechnungen des ZDK beträgt die Umsatzrendite auf dem Pkw-Sektor derzeit allenfalls noch 0,3 % durchschnittlich.

Aufgrund der rapiden Abwärtsentwicklung der Gewinne im Neuwagenhandel kann deshalb die 15%-ige Schadenspauschale in den NWVB nicht mehr wirksam sein. Dies entspricht auch der aktuellen Rechtsprechung der Oberlandesgerichte, wenngleich eine klärende Entscheidung des BGH (Bundesgerichtshof) derzeit noch aussteht.

In den GWVB ist bei Nichtabnahme eines Gebrauchtwagens geregelt, dass eine Schadenspauschale in Höhe von 10 % des Kaufpreises gefordert werden kann. Auch diese Klausel erscheint in Anbetracht der aktuellen Rechtsprechung problematisch und hält einer Überprüfung im Sinne des § 309 Nr. 5 a BGB nicht stand, jedenfalls nicht, wenn sie in AGB eines Neuwagenhändlers mit (!) Gebrauchtwagenabteilung steht. Denn freie Gebrauchtwagenhändler (ohne Neuwagengeschäft) haben eine andere Kostenstruktur als Neuwagenhändler mit Gebrauchtwagenabteilung.

Für die Behauptung eines branchentypischen Durchschnittsschadens in Höhe des Pauschalbetrages ist im Prozessfalle der Händler als Verwender darlegungs- und beweispflichtig. Derzeit existiert insoweit ein ZDK-Gutachten, das noch ausreichen dürfte, um der Darlegungs- und Beweispflicht nachzukommen. Die weitere Entwicklung dieser problematischen Rechtsprechung bleibt abzuwarten.

Immer hat der Verkäufer das Wahlrecht, von einer Berechnungsart auf die andere überzugehen. Die Unwirksamkeit einer vereinbarten Pauschale steht also einer Abrechnung auf konkreter Basis letztendlich nicht entgegen. Dieser Ausweg bleibt also immer noch.

Der Bundesgerichtshof hat in letzter Zeit mehrfach entschieden, dass der Geschädigte bei fiktiver Abrechnung die Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt verlangen kann. Allerdings muss sich der Geschädigte bei einem Fahrzeug mit einem Alter von mehr als drei Jahren, das nicht scheckheftgepflegt ist,

"auf eine günstigere und vom Qualitätsstandard gleichwertige Reparaturmöglichkeit in einer mühelos und ohne weiteres zugänglichen freien Werkstatt"

verweisen lassen.

Was darunter konkret zu verstehen ist, hat der BGH nunmehr konkretisiert. So weist eine "gleichwertige Reparaturmöglichkeit" nach der Rechtsprechung des BGH folgende Merkmale auf:

  1. Zertifizierter Meisterbetrieb
  2. Verbandsmitgliedschaft
  3. Qualitätskontrolle durch TÜV oder DEKRA
  4. Verwendung von Original-Ersatzteilen
  5. 3 Jahre Garantie


Ohne weiteres zugänglich im Sinne dieser Rechtsprechung ist eine Werkstatt dann, wenn sie in ca. 20 km Entfernung vom Wohnort des Geschädigten oder aber im unmittelbaren Einzugsbereich einer Großstadt liegt, wenn der Geschädigte dort seinen Wohnort hat. Hier kann sich im Einzelfall etwas anderes ergeben, wenn die markengebundene Werkstatt deutlich näher oder weiter entfernt ist. Dabei muss sich der Geschädigte allerdings nicht auf Vertragswerkstätten des Versicherers mit Sonderkonditionen verweisen lassen. All diese Grundsätze hat der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 22.06.2010 (DAR 9/2010, Seite 509) noch einmal zusammengefasst und konkretisiert.

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