Recht - Auto & Verkehr Informationsbrief Nr. 57

Aktuelle Autokauf-Rechtsprechung

Sehr geehrte Damen und Herren!

Im abgelaufenen Jahr und in den letzten Monaten mussten sich die Gerichte mehrfach mit der Problematik des Erfüllungsortes befassen. Es stellt sich da die Frage, wo ist der Erfüllungsort für die Nachbesserung zur Mängelbeseitigung und wo ist der Erfüllungsort für die Rückabwicklung nach einem erklärten Rücktritt des Käufers.

Die Frage nach dem Erfüllungsort der Nacherfüllung ist von erheblicher Bedeutung. Der Erfüllungsort ist zum einen für den Gerichtsstand maßgebend. Am Erfüllungsort können nämlich alle Ansprüche auf Nacherfüllung und sonstige Gewährleistungsrechte, insbesondere auch Ansprüche auf Kostenerstattung und Schadenersatz eingeklagt werden.

Des Weiteren ist der Erfüllungsort auch maßgebend für das in Gewährleistungsstreitigkeiten so wichtige selbständige Beweisverfahren.

Die herrschende Auffassung in Rechtsprechung und Literatur geht derzeit davon aus, dass der Verkäufer die geschuldete Leistung - Herstellung von Mangelfreiheit - an seinem Betriebssitz erbringen darf und der Käufer das Fahrzeug dorthin zu bringen hat. Der Käufer hat kein Recht auf Abholung, sondern nur auf Übernahme von Transportkosten. Fordert der Käufer den Verkäufer unberechtigterweise zum Abholen des mangelbehafteten Fahrzeuges auf, wäre ein in dieser Situation erklärter Rücktritt  u n w i r k s a m.

Nach der Rechtsprechung sind in erster Linie die von den Parteien getroffenen Vereinbarungen entscheidend. Fehlen vertragliche Abreden über den Erfüllungsort, ist auf die jeweiligen Umstände, insbesondere die Natur des Schuldverhältnisses, abzustellen. Lassen sich auch daraus keine abschließenden Erkenntnisse gewinnen, ist der Erfüllungsort letztlich an dem Ort anzusiedeln, an welchem der Verkäufer zum Zeitpunkt der Entstehung des Schuldverhältnisses seinen Wohnsitz oder seine gewerbliche Niederlassung hatte (§ 269 Abs. 2 BGB).

Von dem Erfüllungsort bei Nacherfüllung ist der Erfüllungsort bei erklärtem Rücktritt zu unterscheiden.
Nach dem mutmaßlichen Willen der Vertragsparteien ist der Wohnort bzw. der Betriebssitz des Käufers als einheitlicher Erfüllungsort anzunehmen. Das bedeutet, dass der Verkäufer das mangelhafte Fahrzeug beim Käufer am vertrags- bzw. bestimmungsgemäßen Belegenheitsort, abzuholen hat. Der Verkäufer hat insoweit auch die Kosten der Rücknahme des Fahrzeuges zu übernehmen und auch die Kosten des Rücktransports eines eventuell vom Käufer in Zahlung gegebenen Altwagens zu tragen.
Eine abweichende Klausel in den Vertragsbedingungen, die den Käufer mit derartigen Kosten belastet, wäre unwirksam.

Befindet sich das Fahrzeug im Zeitpunkt des Rücktritts an einem anderen als den vertrags- bzw. bestimmungsgemäßen Standort, besteht für den Verkäufer keine Verpflichtung, es dort abzuholen.

Ein rechtswirksames Rücktrittsverlangen erfordert zunächst ein ordnungsgemäßes Nacherfüllungsverlangen. Es genügt dabei nicht, dass der Käufer den Händler mündlich oder schriftlich auffordert, den Mangel zu beseitigen. Er muss auch bereit sein, das Fahrzeug zur Überprüfung der Mängelrüge für eine entsprechende Untersuchung zur Verfügung zu stellen, und zwar im Betrieb des Händlers, wenn dort, wie regelmäßig, der Erfüllungsort liegt (BGH Urteil vom 01.07.2015 - VIII ZR 226/14).

In dieser Entscheidung hat der BGH ausgeführt, dass es kein ordnungsgemäßes Nacherfüllungsverlangen darstellt, wenn es im Aufforderungsschreiben heißt:

"... Sie werden aufgefordert, innerhalb der Frist von ... oder bis zum ... die Bereitschaft zur Mängelbeseitigung zu erklären ...“

Ein weiteres nicht ordnungsgemäßes Nacherfüllungsverlangen kann sich dann ergeben, wenn der Käufer einen bestimmten Weg der Mängelbeseitigung vorgeschrieben hat, statt dem Händler die ihm insoweit zustehende Dispositionsbefugnis zu lassen. Hier hat sich der Käufer nicht "einzumischen".

Nach § 323 Abs. 5 Satz 2 BGB kann sich ein Ausschluss des Rücktrittsrechts ergeben wegen Unerheblichkeit des Mangels. Hier ist die Rechtsprechung zuweilen recht streng. Manch eine Entscheidung kann insoweit nur schwer nachvollzogen werden.

So hat das OLG Oldenburg einen Rücktrittsausschluss verneint bei Fehlen eines bestellten beleuchteten Aschenbechers vorn im Pkw. Des Weiteren wurde bei einem Mängelbeseitigungsaufwand von nur 3,5% des Kaufpreises ein Rücktrittsausschluss verneint, wenn im Zeitpunkt des Rücktritts der Verkäufer nicht geklärt hatte, worauf der angezeigte Mangel (hängenbleibendes Kupplungspedal) tatsächlich zurückzuführen war (OLG Schleswig, Urteil vom 02.10.2015 - 17 U 43/15).

Problematisch ist in der Praxis auch immer wieder die sogenannte Untersuchungspflicht des Gebrauchtwagenhändlers. Dabei ist es nach herrschender Auffassung in Rechtsprechung und Literatur so, dass dem Gebrauchtwagenhändler grundsätzlich keine generelle, anlassunabhängige Obliegenheit trifft, das Fahrzeug vor dem Verkauf umfassend zu untersuchen. Er muss das Fahrzeug nur überprüfen, wenn besondere Umstände vorliegen, die für ihn einen konkreten Verdacht auf Mängel begründen. Abgesehen von diesen besonderen Fällen ist der Händler grundsätzlich nur zu einer fachmännischen äußeren Besichtigung ("Sichtprüfung") verpflichtet (BGH Urteil vom 15.04.2015 - VIII ZR 80/14).

Ganz aktuell hat sich der Bundesgerichtshof in einem Urteil vom 29.06.2016 zur Lagerzeit zwischen Erstzulassung und Baujahr beim Gebrauchtwagenkauf geäußert.
Der Kläger kaufte in dem vom BGH entschiedenen Fall bei einem Fahrzeughändler einen Gebrauchtwagen mit Erstzulassung 2010 und einem Kilometerstand von ca. 38.000 km. Später stellte er fest, dass das Fahrzeug bereits 2008 hergestellt worden war. Die lange Lagerzeit vor der Erstzulassung von über 19 Monaten sollte nach Auffassung des Klägers ein Sachmangel sein und er verlangte die Rückabwicklung und Rückzahlung des Kaufpreises.
Dieses Begehren des Käufers hat der BGH zurückgewiesen. Der BGH hat entschieden, dass eine Standzeit von über zwölf Monaten vor Erstzulassung bei einem Gebrauchtwagenkauf nicht ohne weiteres einen Sachmangel begründet.
Die Parteien des Rechtsstreites hatten weder ausdrücklich noch stillschweigend eine Beschaffenheitsvereinbarung über ein bestimmtes Herstellungsdatum oder Baujahr getroffen.

Nach Auffassung des BGH führte die Standzeit von 19,5 Monaten zwischen Herstellung und Erstzulassung nicht dazu, dass sich der erworbene Gebrauchtwagen zum Zeitpunkt der Über-gabe nicht für die gewöhnliche Verwendung eignete und nicht die übliche, vom Käufer be-rechtigterweise zu erwartende Beschaffenheit aufwies (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB).

Zwar hat der BGH für den Kauf von Neu- oder Jahreswagen bereits entschieden, dass ein Autokäufer in diesen Fällen eine 12 Monate nicht überschreitende Standzeit vor der Erstzulassung erwarten darf. Dem durch die Standzeit voranschreitenden Alterungsprozess kommt bei neuen Fahrzeugen oder zumindest "jungen Gebrauchtwagen" besonderes wirtschaftliches Gewicht zu. Vergleichbare allgemein gültige Aussagen lassen sich bei sonstigen Gebrauchtwagen nach Auffassung des BGH jedoch nicht treffen.

Aus der Entscheidung des BGH folgt, dass die Lagerzeit eines Gebrauchtfahrzeuges an Bedeutung verliert, wenn dieses bereits längere Zeit zum Straßenverkehr zugelassen war (BGH Urteil vom 29.06.2016 - VIII ZR 191/15).

Die vorstehend zitierten Gerichtsentscheidungen sind, soweit kein anderer Hinweis erfolgt ist, rechtskräftig.

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