Recht - Auto & Verkehr Informationsbrief Nr. 49
Ersatz des Rückstufungsschadens
Restwert: Keine Informationspflicht vor Veräußerung
Sehr geehrte Damen und Herren!
Wenn der Versicherer seinem Versicherungsnehmer Leistungen gewährt, entweder in Form der Regulierung des Schadens des Unfallgegners oder im Rahmen der Kaskoversicherung, wird der Versicherungsnehmer in der Regel mit höheren Prämien belastet. Es stellt sich dann die Frage, inwieweit dieser Schaden vom Unfallgegner ersetzt verlangt werden kann. Dabei muss zwischen dem Verlust des Schadensfreiheitsrabatts in der Haftpflicht- und in der Fahrzeugversicherung (Vollkasko) unterschieden werden.
Für den unfallbedingten Verlust des Schadensfreiheitsrabatts in der Fahrzeugversicherung haften der Schädiger und sein Haftpflichtversicherer. Der Rückstufungsschaden ist Folge des unfallbedingten Fahrzeugschadens. Anders ist dies nur dann, wenn der Geschädigte bei voller Schadenshaftung und nach vollem Schadensausgleich durch den gegnerischen Haftpflichtversicherer seine Kaskoversicherung wegen weitergehender vertraglicher Ansprüche zusätzlich in Anspruch nimmt, z.B. wegen eines bestehenden Anspruchs auf Abrechnung auf Neuwagenbasis. In diesem Fall hat der Haftpflichtversicherer den Rückstufungsschaden nicht auszugleichen.
Wichtig ist, zu bedenken, dass der Rückstufungsschaden auch dann unfallbedingt ist, wenn neben dem Schädiger auch der Geschädigte selbst für den Unfall mitverantwortlich ist und wenn deshalb nur ein quotenmäßig beschränkter Ersatzanspruch besteht.
Nimmt der Geschädigte wegen des von ihm selbst zu tragenden Schadensanteils seine Kaskoversicherung in Anspruch, besteht wegen des dadurch eintretenden Rückstufungsschadens ein quotenmäßig beschränkter Schadenersatzanspruch. Mitverursachung des Schadens reicht aus (BGH in NJW 2006, 2397).
Für den Verlust des Schadensfreiheitsrabatt in der eigenen Haftpflichtversicherung kann k e i n Ersatz gefordert werden. Es handelt sich dabei um einen allgemeinen Vermögensnachteil, der nicht auf dem vom Schädiger verursachten oder jedenfalls mitverursachten Schaden am Kraftfahrzeug des Geschädigten beruht, sondern auf dem von ihm verursachten oder mitverursachten Fremdschaden aufgrund seiner Mitverantwortung für den Unfall (BGH NJW 1976, 1846).
In der Regulierungspraxis wird die Geltendmachung des oben genannten Schadenersatzanspruches für den Verlust des Schadensfreiheitsrabatts oft übersehen.
In der nachfolgenden Rechtsprechungs-Übersicht dürfen wir Sie auf folgende für die Praxis interessante und beachtenswerte Entscheidungen hinweisen:
1. Urteil des OLG Naumburg vom 14.08.2012 (NJW-RR 9/2013, Seite 568):
Im Gebrauchtwagenhandel macht es für die Kaufentscheidung des Käufers einen beträchtlichen Unterschied, ob das Fahrzeug einen oder drei Vorbesitzer hatte. Die falsche Angabe eines Vorbesitzers statt in Wirklichkeit dreier beim Gebrauchtwagenhandel stellt einen Sachmangel i.S. des § 434 I 2 Nr. 2 BGB dar.
2. Urteil des OLG Hamm vom 07.02.2013 (VRR 4/2013, Seite 145):
Ein verständiger Käufer weiß, dass die tatsächlichen Verbrauchswerte von zahlreichen Einflüssen und der individuellen Fahrweise des Nutzers abhängen und deshalb nicht mit Prospektangaben gleichgesetzt werden dürfen, die auf einem standardisierten Messverfahren beruhen.
Weichen die von Sachverständigen ermittelten Verbrauchswerte gegenüber den im Verkaufsprospekt angegebenen (kombinierten) Verbrauchswerte um mehr als 10 % nach oben ab, ist die Erheblichkeitsschwelle überschritten und ein Rücktritt vom Vertrag möglich.
3. Beschluss des OLG Düsseldorf vom 15.11.2012 (NJW-RR 12/2013, Seite 761):
Wer als Händler in einer Internetanzeige die Laufleistung eines Kraftfahrzeugs ohne einschränkenden Zusatz angibt, muss sich daran festhalten lassen, auch wenn diese Zahl im späteren Kaufvertrag nicht mehr auftaucht.
Ein Gebrauchtwagenkäufer kann regelmäßig zunächst davon ausgehen, dass eine ohne Einschränkung gemachte Kilometerangabe sich auf die für ihn maßgebliche Gesamtfahrleistung bezieht.
4. Urteil des LG Braunschweig vom 30.03.2012 (DV 2/2013, Seite 70):
Der Geschädigte kann auch im Rahmen der fiktiven Abrechnung grundsätzlich die von einem durch ihn beauftragten Sachverständigen ermittelten Nettoreparaturkosten einer markengebundenen Reparaturwerkstatt ersetzt verlangen, was auch für sogenannte UPE-Aufschläge und Verbringungskosten gilt. Dies gilt nur dann nicht, wenn im regionalen Markt solche Werkstätten existieren, bei denen entsprechende Kosten nicht anfallen. Die Darlegungs- und Beweislast trägt der Schädiger.
5. Urteil des AG Frankfurt/Main vom 24.07.2012 (DV 2/2013, Seite 97):
Die Kostenpauschale beträgt 30,00 €. Verbringungskosten und UPE-Aufschläge können auch fiktiv ersetzt begehrt werden.
6. Urteil des LG Frankfurt/Main vom 03.04.2012 (DV 2/2013, Seite 98):
Greift der Schädiger ein Schadensgutachten an, hat der Geschädigte einen Anspruch auf Ersatz zusätzlicher Sachverständigenkosten für ein Ergänzungsgutachten.
7. Urteil des AG Hamm vom 23.08.2012 (DAR 6/2013, Seite 335):
Regress des durch Verkehrsunfall Geschädigten beim Sachverständigen wegen eines falschen Gutachtens lässt den Vergütungsanspruch für das Gutachten entfallen und verpflichtet den Sachverständigen zu weiterem Schadensersatz gegenüber dem Geschädigten.
8. Urteil des AG Norderstedt vom 14.09.2012 (DAR 7/2013, IV):
Das Prognoserisiko und das Werkstattrisiko im Falle eines Verkehrsunfalls trägt der Schädiger.
Mangelhafte Reparaturen nach einem Verkehrsunfall bewirken nicht, dass ein Schädiger dies dem Geschädigten bei der Frage der Erstattungsfähigkeit der Reparaturkosten entgegenhalten kann. Die Reparaturkostenrechnung ist vom Schädiger auch bei mangelhafter Ausführung der Reparatur vollständig auszugleichen, da die Werkstatt Erfüllungsgehilfe des Schädigers ist und nicht Erfüllungsgehilfe des Geschädigten.
Die Ersatzpflicht erstreckt sich vor allem auf diejenigen Mehrkosten, die ohne Schuld des Geschädigten - etwa durch unsachgemäße Maßnahmen der von ihm beauftragten Werkstatt - verursacht worden ist.
Verzögert sich die Reparatur und muss ein Geschädigter deswegen länger einen Mietwagen in Anspruch nehmen, fällt auch dieses Risiko in die Sphäre des Schädigers und dessen Haftpflichtversicherung.
9. Urteil des BGH vom 05.02.2013 (zfs 7/13, Seite 383):
Wählt der Geschädigte den Weg der Ersatzbeschaffung, obwohl nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot nur ein Anspruch auf Ersatz der Reparaturkosten besteht, und rechnet er den Schaden konkret auf der Grundlage der Beschaffung eines Ersatzfahrzeugs ab, steht ihm ein Anspruch auf Ersatz von Umsatzsteuer zu, wenn bei der Ersatzbeschaffung tatsächlich Umsatzsteuer angefallen ist.
Der Anspruch ist auf den Umsatzsteuerbetrag begrenzt, der bei der Durchführung der notwendigen Reparatur angefallen wäre.
10. Urteil des AG Bochum vom 27.07.2012 (DAR 2/2013, IV):
Wenn ein Geschädigter ein Fahrzeug nach einem Verkehrsunfall anmietet, dessen Mietkosten sich im Bereich des Schwacke-Automietpreisspiegels bewegen, kann dem Geschädigten hieraus kein Vorwurf gemacht werden. Die Mietwagenkosten sind vollumfänglich erstattungsfähig.
Die Kosten für einen Zweitfahrer sind dann zu erstatten, wenn das Fahrzeug unter anderem auch vom Ehemann genutzt wird.
Die Kosten für Winterreifen sind zu erstatten.
11. Urteil des LG Stade vom 30.11.2012 (Verkehrsrecht aktuell 3-2013, Seite 41):
Ein Unfallgeschädigter ist nicht verpflichtet, den durch einen Sachverständigen ermittelten Restwert durch den gegnerischen Versicherer überprüfen zu lassen oder diesem zwecks Abgabe eines höheren Restwertangebots vorzulegen.
Der Unfallgeschädigte verstößt nicht gegen seine Schadensminderungspflicht, wenn er das Unfallfahrzeug mangels Vorliegens eines konkreten höheren Restwertangebots zu dem durch das Sachverständigengutachten ermittelten Restwert veräußert.
Auf die vorstehende Entscheidung des LG Stade, die sich in absoluter Übereinstimmung mit der herrschenden Rechtsauffassung in Rechtsprechung und Literatur befindet, kann nur nachdrücklich hingewiesen werden.
Nach Erhalt des Gutachtens hatte der Kläger des Verfahrens sein Unfallfahrzeug postwendend zu dem Betrag verkauft, der im Gutachten als höchstes Restwertangebot genannt war. Nach Ansicht des Gerichts war er nicht verpflichtet, dem gegnerischen Haftpflichtversicherer zuvor Gelegenheit zu geben, ein höheres Restwertangebot zu unterbreiten!
Die vorgenannten Entscheidungen aus unserem Rechtsprechungs-Report sind rechtskräftig.
Sollten Sie dazu weitere Informationen wünschen, stehen wir insoweit gerne zu Ihrer Verfügung.
Mit der Weitergabe dieses Informationsbriefes an Ihre Kunden erklären wir uns ausdrücklich einverstanden.