Recht - Auto & Verkehr Informationsbrief Nr. 40

BGH-Aktuell: Käufer muss Verkäufer Untersuchung ermöglichen
Merkantiler Minderwert auch bei Nichtreparatur

Die Obliegenheit des Käufers, dem Verkäufer Gelegenheit zur Nacherfüllung zu geben ("Recht des Verkäufers zur zweiten Andienung"), beschränkt sich nicht auf eine mündliche oder schriftliche Aufforderung zur Nacherfüllung, sondern umfasst auch die Bereitschaft des Käufers, dem Verkäufer den Pkw zur Überprüfung der erhobenen Mängelrügen zur Verfügung zu stellen.
Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) in einer aktuellen Entscheidung vom 10.03.2010 in VIII ZR 310/08 entschieden.

Der Kläger hatte einen Neuwagen gekauft, mit dessen Elektronik er nicht zufrieden war. Der Kläger wollte keine Nachbesserung, sondern eine Ersatzlieferung. Nur unter dieser Bedingung war er bereit, seinen Pkw zur Überprüfung der Werkstatt zur Verfügung zu stellen. Demgegenüber bestand das Autohaus auf einer bedingungslosen Möglichkeit zur Untersuchung in der Werkstatt. Der Kläger des Verfahrens erklärte daraufhin den Rücktritt. Mit seiner Rückabwicklungsklage blieb er indes in sämtlichen Instanzen ohne Erfolg.

Nach ständiger Rechtsprechung des BGH erleidet ein Kraftfahrzeug dann einen merkantilen Minderwert, wenn es durch einen Unfall oder ein ähnliches Ereignis nicht nur unerheblich beschädigt wird und trotz technisch völlig einwandfreier Instandsetzung der Verkehr das instand gesetzte Fahrzeug wegen des Verdachts verborgener Mängel geringer bewertet als vergleichbare unfallfreie Fahrzeuge. Die Zubilligung einer Geldentschädigung beruht insoweit auf dem Erfahrungssatz, dass unfallbeschädigte Kraftfahrzeuge - trotz aller Fortschritte in der Reparaturtechnik - auf dem Gebrauchtwagenmarkt selbst im Falle einwandfreier Reparatur gegenüber gleichwertigen Fahrzeugen ohne Vorschaden regelmäßig mit einem Preisabschlag gehandelt werden. Bei der Bestimmung eines eventuellen Minderwerts können eine ganze Reihe von Einflussfaktoren von Bedeutung sein. Neben Fabrikat, Typ, Modell, Ausstattung, Neupreis, Zeitwert, Pflegezustand, Fahrzeugalter, Laufleistung, Vorschäden und Anzahl der Vorbesitzer sind natürlich auch Aspekte des Schadens, wie die gesamten Reparaturkosten (Materialkosten, Lohnkosten und Lackierungskosten) und die Art der Substanzschädigung (tragende Teile, Austauschteile) zu beachten. Darüber hinaus ist der "Faktor Markt" von ganz ausschlaggebender Bedeutung. Das heißt, dass die Bewertung des Minderwerts entscheidend von der Einschätzung des Marktes und somit von der "Marktgängigkeit eines Fahrzeuges", den gesamtwirtschaftlichen Umständen, regionalen Besonderheiten und den gesetzlichen Rahmenbedingungen bestimmt wird.

Für die Bemessung des merkantilen Minderwertes eines unfallbeschädigten Fahrzeuges ist der Zeitpunkt der beendeten Instandsetzung maßgebend. Hierbei ist es unerheblich, ob der geschädigte Kfz-Halter das Fahrzeug nach durchgeführter Reparatur selbst weiterfährt oder sogleich verkauft. Anspruch auf Zahlung des Wertminderungsbetrages besteht ebenfalls bei Abrechnung auf Gutachter-Basis ("fiktive Schadenabrechnung"). Dies entspricht inzwischen gefestigter Meinung in Literatur und Rechtsprechung.

In der Praxis gibt es viele Berechnungsmethoden, um den Minderwert der Höhe nach zu ermitteln. All diese Methoden können jedoch nur Anhaltspunkt für zu führende Verhandlungen mit dem Schädiger bzw. dessen Versicherung sein. Letztendlich lässt sich die Höhe des Minderwertes zuverlässig nur über die Einholung eines Sachverständigen-Gutachtens feststellen.

In der nachfolgenden Rechtsprechungs-Übersicht dürfen wir Sie auf folgende für die Praxis interessante und beachtenswerte Entscheidungen hinweisen:

1.     Urteil des OLG München vom 13.11.2009 (NJW 20/2010, Seite 1462):

Lässt ein Geschädigter, wenn die vom Sachverständigen kalkulierten Reparaturkosten die 130%-Grenze überschreiten, sein Fahrzeug auf einem alternativen und günstigeren Weg vollständig und fachgerecht und ohne verbleibende erhebliche Defizite reparieren, kann er Ersatz der erforderlichen und unterhalb der 130%-Grenze liegenden Reparaturkosten verlangen.

2.     Urteil des LG Kaiserslautern vom 25.03.2009 (NJW-RR 9/2009, Seite 634):

Die Mietwageneigenschaft eines Fahrzeugs ist kein entscheidender wertbildender Faktor und daher weder offenbarungspflichtig noch ein Mangel i.S. des § 434 BGB.

3.     Urteil des OLG Hamm vom 16.11.2009 (VRR 4/2010, Seite 122):

Ein Defekt an der hydropneumatischen Federung eines Pkw, der in unterschiedlichen Zeitabständen zu einer Veränderung des Fahrverhaltens führt, stellt einen Sachmangel i.S.v. § 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BGB dar. Dabei ist es unerheblich, ob das Problem einem bestimmten Modelltyp anhaftet. Entscheidend für die Frage, ob ein bestimmter Zustand dem Stand der Technik entspricht, ist nicht der Stand der Serie, sondern der Entwicklungsstand vergleichbarer Fahrzeuge der gesamten Automobilindustrie.

4.     Urteil des AG Bremen vom 03.04.2009 (9 C 529/08):

Auch bei einem unfallbedingten Ausfall eines gewerblich genutzten Fahrzeugs besteht ein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung jedenfalls dann, wenn der Einsatz des Fahrzeugs nicht unmittelbar der Gewinnerzielung dient.

5.     Urteil des LG Weiden vom 12.11.2008 (22 S 59/08):

Nimmt der Geschädigte eines Verkehrsunfalls das Vermittlungsangebot der gegnerischen Haftpflichtversicherung bezüglich eines Mietwagens nicht an, so liegt darin kein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht.

Einem gegnerischen Haftpflichtversicherer ist es verboten, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken Unfallgeschädigten, die einen Anspruch auf Ersatz von Mietwagenkosten geltend machen und die bereits in Verhandlungen mit einem Vermieter über die Anmietung eines Fahrzeuges stehen, Sonderpreise von Kooperationspartnern zu nennen, um damit Einfluss auf deren Entscheidungsfreiheit zu nehmen.

6.     Urteil des BGH vom 20.10.2009 (VRR 1/2010, Seite 21):

Der Geschädigte darf seiner Schadensberechnung grundsätzlich die Stundensätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legen.

Im Rahmen seiner Schadensminderungspflicht muss er sich nur ausnahmsweise auf die gleichwertige Reparatur in einer vom Schädiger benannten, für ihn ohne Weiteres zugänglichen nicht markengebundenen Fachwerkstatt verweisen lassen, wenn dies für ihn zumutbar ist.

Dies ist i.d.R. nicht der Fall, wenn sein Fahrzeug zum Schadenszeitpunkt nicht älter als 3 Jahre gewesen ist. In besonderen Ausnahmefällen kann auch bei einem älteren Fahrzeug für den Geschädigten die Reparatur außerhalb einer markengebundenen Fachwerkstatt unzumutbar sein.

7.     Urteil des LG Aachen vom 12.05.2009 (41 O 1/09):

Die Werbung einer Autowerkstatt mit der Aussage, sie biete eine "Schadenabwicklung" mit allen Versicherungsgesellschaften" an, verstößt gegen §§ 3, 4 Nr. 11 UWG i.V.m. § 3 RDG.

8.     Urteil des LG Koblenz vom 17.03.2009 (4 HK O 140/08):

Die Werbung in einem Flyer mit dem Inhalt: "Komplette Unfallschadenabwicklung" und "Rechtsanwalt für Verkehrsrecht im Haus" ist wettbewerbswidrig, da diese Werbung eine Rechtsdienstleistung anbietet, die nur dann zulässig wäre, wenn es sich dabei um eine Nebenleistung im Sinne des § 5 RDG handeln würde.

9.     Urteil des LG Darmstadt vom 08.04.2008 (10 O 31/08):

Die Werbung einer Kfz-Reparaturwerkstatt mit den Aussagen "kompletter Unfallservice aus einer Hand" und "Übernahme Ihrer gesamten Unfallabwicklung" stellt eine unlautere Wettbewerbshandlung i.S.v. § 3 UWG dar, weil sie auch die Geltendmachung der Schadensersatzansprüche der Kunden beinhaltet, was eine Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten i.S.d. Art. 1 § 1 Abs. 1 RBerG darstellt, ohne dass die Reparaturwerkstatt die dafür erforderliche Erlaubnis besitzt.


Die vorgenannten Entscheidungen aus unserem Rechtsprechungs-Report sind rechtskräftig.

Sollten Sie dazu weitere Informationen wünschen, stehen wir insoweit gerne zu Ihrer Verfügung.

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