Recht - Auto & Verkehr Informationsbrief Nr. 37
Ersatz der Reparaturkosten in Fachwerkstatt
Neuwagenabrechnung nach einem Verkehrsunfall
Seit dem so genannten "Porsche-Urteil" des Bundesgerichtshofes ist allgemein anerkannt, dass der Geschädigte, unabhängig davon, ob er den Wagen tatsächlich voll, minderwertig oder überhaupt nicht reparieren lässt, grundsätzlich einen Anspruch auf Ersatz der Reparaturkosten in einer markengebundenen Fachwerkstatt hat.
Zwar ist der Geschädigte unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht gehalten, den wirtschaftlicheren Weg der Schadensbehebung zu wählen, sofern er die Höhe der für die Schadensbeseitigung aufzuwendenden Kosten beeinflussen kann. Es genügt jedoch im Allgemeinen, dass er den Schaden auf der Grundlage eines von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens berechnet, sofern das Gutachten hinreichend ausführlich ist und das Bemühen erkennen lässt, dem konkreten Schadensfall vom Standpunkt eines wirtschaftlich denkenden Betrachters gerecht zu werden.
Der BGH entschied, dass der Geschädigte, der seiner fiktiven Reparaturrechnung die Stundensätze einer markengebundenen Fachwerkstatt zugrunde legt, sich nicht auf die abstrakte Möglichkeit der technisch ordnungsgemäßen Reparatur in irgendeiner kostengünstigeren Fremdwerkstatt verweisen lassen muss.
Mit Urteil vom 30.04.2009 (8 S 10/09) hat nun das Landgericht Münster die Rechtsprechung des BGH fortgeschrieben. In dem vom Landgericht Münster zu entscheidenden Fall hatte die beklagte Versicherung konkret eine kostengünstigere Reparaturmöglichkeit in einer Fremdwerkstatt aufgezeigt und behauptet, die Reparatur erfolge dort in jeder Hinsicht gleichwertig. Diese Konstellation ist bislang höchstrichterlich noch nicht entschieden worden.
Das Landgericht Münster vertritt die Auffassung, dass auch die konkrete Benennung günstigerer Fremdwerkstätten für den Schadenersatzanspruch des Geschädigten irrelevant ist. Es fehlt insoweit grundsätzlich an der notwendigen Gleichwertigkeit der Reparaturmöglichkeiten.
Nach Auffassung des Landgerichts Münster ist nicht allgemein davon auszugehen, dass die Reparatur in einer freien (oder auch fremdmarkengebundenen) Werkstatt der Reparatur in einer Markenwerkstatt qualitativ gleichkommt. Es besteht vielmehr stets Anlass zu der Vermutung, dass eine Markenwerkstatt mit den Besonderheiten des jeweiligen Fahrzeugtyps besser vertraut ist und aus diesem Grund die Reparatur besser ausführen kann. Auf die Frage, ob eine vom Schädiger benannte Werkstatt die Reparatur im konkreten Einzelfall dennoch mit der gleichen Qualität wie eine markengebundene Fachwerkstatt ausführen könnte, kommt es nicht an. Die Frage ließe sich regelmäßig nur im Nachhinein - nach erfolgter Reparatur - mit Gewissheit beantworten.
Für ein derartiges Vorgehen ist jedoch im Rahmen einer fiktiven Reparaturkostenabrechnung, die dem Geschädigten nach ständiger Rechtsprechung zuzubilligen ist, kein Raum. Eine hinreichend zuverlässige Möglichkeit, die Gleichwertigkeit bereits vor einer Reparatur festzustellen, ist nicht ersichtlich. So kann weder die Verwendung moderner Spezialgeräte noch die Beachtung von Herstellervorgaben noch die Übernahme einer Garantie auf die Reparaturarbeiten noch die Eigenschaft als Meisterbetrieb die Gleichwertigkeit garantieren. Es wäre dem Geschädigten auch gar nicht zuzumuten, derartige Anknüpfungspunkte zu überprüfen. Auf entsprechende Angaben der gegnerischen Versicherung muss sich der Geschädigte nicht verlassen. Es ist dem Geschädigten auch nicht zuzumuten, es auf eine Klärung der Gleichwertigkeit im Rahmen eines Rechtsstreits - gegebenenfalls mit Hilfe eines teuren Gutachtens - ankommen zu lassen.
Im Übrigen kann die Reparatur in einer Markenwerkstatt für den im Weiterverkaufsfall zu erzielenden Preis eine Rolle spielen. Der Reparaturort besitzt also auch unabhängig von der Frage der technischen Gleichwertigkeit der Reparatur eine wirtschaftliche Bedeutung. Ob die Reparatur in einer Fremdwerkstatt im konkreten Fall den Garantieanspruch gegenüber dem Fahrzeughersteller berühren würde, sei dahingestellt.
Das Landgericht Münster hat der Klägerin bei der fiktiven Abrechnung ihres Schadens die Stundensätze einer Markenwerkstatt zugebilligt. Im Interesse der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung hat das Landgericht Münster die Revision zugelassen.
Das Oberlandesgericht Düsseldorf hatte sich mit der Frage der Neuwagenabrechnung nach einem Verkehrsunfall zu befassen und hat entschieden (VRR 5/2009, Seite 185):
"Eine Abrechnung auf Neuwagenbasis ist grundsätzlich (nur) gerechtfertigt, wenn die Fahrleistung des nicht länger als einen Monat zugelassenen Fahrzeuges nicht mehr als 1.000 Kilometer beträgt und zudem eine erhebliche Beschädigung vorliegt, die es für den Geschädigten unzumutbar macht, sich mit einer Reparatur und der Zuzahlung eines Geldbetrages für den verbliebenen Minderwert zu begnügen."
Grundsätzlich müssen für eine Neuwagenabrechnung drei Voraussetzungen erfüllt sein:
- Das Fahrzeug ist zum Schadenszeitpunkt erst einen Monat in Gebrauch.
- Das Fahrzeug hat keine höhere Laufleistung als 1.000 km.
- Es sind erhebliche Teile des Fahrzeugs beschädigt.
Darüber hinaus kann allerdings eine Neuwagenabrechnung auch bei einem Fahrzeugalter von bis zu drei Monaten bzw. mit einer Laufleistung von bis zu 3.000 km erfolgen, wenn Teile beschädigt worden sind, die für die Sicherheit des Fahrzeuges von wesentlicher Bedeutung sind oder wenn nach der Reparatur Schönheitsfehler bei dem Fahrzeug verbleiben. Die Rechtsprechung ist insoweit allerdings sehr uneinheitlich. Das Oberlandesgericht Oldenburg hat z.B. einen erheblichen Fahrzeugschaden bereits dann angenommen, wenn Lackierarbeiten erforderlich sind. Das Landgericht Mönchengladbach hat bei einem Fahrzeug, das lediglich 15 Tage alt war und nur eine Laufleistung von 412 km hatte und bei dem das Heckabschlussblech beschädigt wurde, eine Abrechnung auf Neuwagenbasis zugelassen (DAR 2006, 331).