Recht - Auto & Verkehr Informationsbrief Nr. 32
1. BGH kippt "Freizeichnungsklausel"
2. Haltedauer nach Reparatur im Rahmen der 130 %-Grenze
3. Wildschaden / Kaskoversicherung
I.
Eine umfassende Freizeichnung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB), nach der die Haftung des Klausel-Verwenders auch für Körper- und Gesundheitsschäden und für sonstige Schäden auch bei grobem Verschulden ausgeschlossen ist, ist nicht nur gegenüber Verbrauchern, sondern ebenso im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmern wegen unangemessener Benachteiligung des Vertragspartners des Verwenders unwirksam.
Dies hat der Bundesgerichtshof (BGH) nun mit Urteil vom 19.09.2007 (VIII ZR 141/06) entschieden.
Der Kläger, ein Unternehmer, kaufte von der beklagten Vertragshändlerin ein gebrauchtes Kraftfahrzeug "unter Ausschluss jeder Gewährleistung". Später stellte sich heraus, dass die Angaben im Kaufvertrag über die Gesamtlaufleistung und die Anzahl der Betriebsstunden falsch waren.
In den unteren Instanzen scheiterte die Rücktrittsklage an der formularmäßigen Freizeichnung. Der BGH hat nun entschieden, dass eine solche Freizeichnungsklausel auch im Verhältnis zwischen Unternehmer und Kfz-Händler unwirksam ist.
Es handelt sich um eine mehr als brisante und für die Praxis bedeutsame Entscheidung! Viele "Klauselwerke" dürften noch derartige - unwirksame - Freizeichnungsklauseln enthalten.
Was für klassische Freizeichnungsklauseln wie "unter Ausschluss jeglicher Gewährleistung" gilt, gilt wohl auch für eine Formularklausel, mit der die Verjährungsfrist verkürzt wird, etwa von zwei Jahren auf ein Jahr, wie es im professionellen Gebrauchtwagenhandel ohne Unterscheidung zwischen privaten und gewerblichen Käufern weit verbreitet ist.
Es kann deshalb nur jedem Klausel-Verwender empfohlen werden, seine Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der aktuellen Rechtsprechung des BGH anzupassen!
II.
Am 13.11.2007 hat der BGH (VI ZR 89/07) entschieden, dass der Geschädigte nach einem Unfall sein Fahrzeug in der Regel noch sechs Monate nutzen muss, wenn er den Ersatz des Reparaturaufwandes über dem Wiederbeschaffungswert verlangt (130 %-Grenze).
Nach einem Unfall erfolgte durch den Geschädigten eine sach- und fachgerechte Reparatur seines Fahrzeuges, deren kalkulierte und tatsächliche Kosten zwar den Wiederbeschaffungswert überstiegen, sich jedoch noch innerhalb von 130 % des Wiederbeschaffungswertes bewegten. Etwa drei Wochen nach durchgeführter Reparatur veräußerte der Geschädigte das reparierte Fahrzeug.
Die Haftpflichtversicherung des Schädigers hatte nur den Wiederbeschaffungswert abzüglich Restwert (Wiederbeschaffungsaufwand) reguliert. Der Geschädigte scheiterte beim BGH mit seiner Klage auf restlichen Schadenersatz bis zur nachgewiesenen Reparaturkostenhöhe.
Mit Urteil vom 23.05.2006 (DAR 2006, Seite 441) hatte der BGH entschieden, dass eine Haltefrist von sechs Monaten erforderlich sei in den Fällen, in denen der Fahrzeugschaden den Wiederbeschaffungswert n i c h t übersteigt und der Geschädigte sein Fahrzeug weiter benutzt.
Mit dem vorgenannten Urteil legt der BGH nunmehr auch für Schäden im Rahmen der 130 %-Grenze einem Zeitraum von sechs Monaten zugrunde, in dem das Fahrzeug nach der Reparatur durch den Geschädigten noch genutzt werden muss!
Aus den Entscheidungsgründen des Urteils des BGH vom 30.11.2007 kann allerdings andeutungsweise entnommen werden, dass auch eine kürzere Haltedauer wegen eines nicht rechtsmissbräuchlichen "Sinneswandels" nach durchgeführter Reparatur ausreichend sein kann. Welche Gründe hierunter fallen, wird noch von der Rechtsprechung zu klären sein.
III.
Bei der Regulierung von Wildschaden in der Fahrzeugversicherung gibt es immer wieder Probleme, insbesondere bei Unfällen ohne Wildberührung.
Der Versicherungsfall wird in den Allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung (AKB) in der Regel als ein Zusammenstoß des in Bewegung befindlichen Fahrzeuges mit Haarwild (z.B. Reh, Feldhase, Wildkaninchen, Fuchs) im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 des Bundesjagdgesetzes umschrieben.
Der versicherte Wildunfall im Sinne der Versicherungsbedingungen realisiert sich grundsätzlich nur bei einem Zusammenstoß mit Haarwild; eine bloße Berührung mit dem Wild reicht nicht aus. Der Zusammenstoß muss Spuren am Fahrzeug hinterlassen haben. In der Praxis wird der Zusammenstoß durch die Art der Beschädigung und durch Blut- oder Haarspuren am Fahrzeug nachgewiesen. Die Beweislast für den Zusammenstoß mit dem Wild trägt der Versicherungsnehmer. Eine Beweiserleichterung gibt es nicht.
Kommt es zu einem Schaden ohne Wildberührung, weil der Fahrer beim Ausweichen verunglückt, liegt kein Wildschaden im eigentlichen Sinne vor. Es besteht jedoch die Möglichkeit, den Schaden als Rettungskostenersatz geltend zu machen (§§ 62, 63 VVG; ab 01.01.2008: § 90 VVG n. F.).
Aufwendungen, die gemacht werden, um bei Antritt des Versicherungsfalles diesen abzuwenden oder die Folgeschäden zu mindern, werden als Rettungskosten erstattet, wenn der Versicherungsfall unmittelbar bevorsteht. Zweck des nicht nur reflexhaften, sondern zielgerichteten Ausweichens muss die Verhinderung des Schadenseintrittes oder Minimierung des Schadens sein.
Verlangt ein Versicherungsnehmer Ersatz der Rettungskosten in einem Wildschadensfall, obliegt ihm die Darlegungs- und Beweislast, dass der Schaden am Fahrzeug tatsächlich entstanden ist, als der Fahrer versucht hat, dem Wild auszuweichen. Es bestehen keine Beweiserleichterungen. Der Versicherungsnehmer ist zum Vollbeweis verpflichtet.
Das bei einem Ausweich- bzw. Bremsmanöver eingegangene Risiko muss wirtschaftlich in einem angemessenen Verhältnis zum vermiedenen Schaden stehen.
Ein Ausweichen vor Reh-, Rot- und Schwarzwild wird regelmäßig verhältnismäßig sein, da beim Zusammenstoß mit dem Tier ein erheblicher Schaden am Fahrzeug droht.
Bei einem Ausweichmanöver vor Niederwild (Hase, Kaninchen, Fuchs) kann sich schon eine Unverhältnismäßigkeit ergeben. Die Rechtsprechung insoweit ist sehr uneinheitlich.