Recht - Auto & Verkehr Informationsbrief Nr. 22

Mit zwei neuen Urteilen hat der Bundesgerichtshof (BGH) eine langjährige Rechtsunsicherheit und uneinheitliche Rechtssprechung der Instanzgerichte zur Frage der „Fabrikneuheit" eines Kraftfahrzeuges beendet. In der sehr uneinheitlichen Rechtsprechung gab es Entscheidungen, die von einer Lagerzeit zwischen 8 und 30 Monaten ausgegangen sind. Nach der neuesten Rechtsprechung des BGH ist ein Kraftfahrzeug nun nicht mehr fabrikneu, wenn zwischen seiner Herstellung und dem Abschluss des Kaufvertrages mehr als zwölf Monate liegen. Der BGH hat in dem Urteil vom 15.10.2003 (VIII ZR 227/02) seine Rechtsprechung zur Fabrikneuheit noch weiter dahingehend präzisiert, dass ein unbenutztes Kraftfahrzeug regelmäßig noch fabrikneu ist,

  1. )  wenn und solange das Modell dieses Fahrzeuges unverändert weiter gebaut wird.
  2. )  wenn es keine durch längere Standzeit bedingten Mängel aufweist und
  3. )  wenn zwischen Herstellung des Fahrzeuges und Abschluss des Kaufvertrages nicht mehr als zwölf Monate liegen.


Unter Hinweis und Berücksichtigung der allgemeinen Verkehrsanschauung und der bekannten Risiken einer längeren Lagerung hat sich der BGH nun für die Zwölfmonatsgrenze ausgesprochen. Bei einer längeren Lagerzeit ist die Fabrikneuheit eines Neuwagens regelmäßig beseitigt!

Als Reaktion auf die verschärften Gewährleistungsrechte nach neuem Schuldrecht wird in der Praxis immer wieder versucht, Verbraucherschutzrechte zu umgehen. Dies ist nach der ausdrücklichen Gesetzesregel in § 475 Abs. 1 Satz 2 BGB unzulässig. In der Praxis wird immer wieder versucht, über den Ausschluss der Sachmängelhaftung, einen "Rollenwechsel" zwischen Verbraucher und Unternehmer, haftungsbeschränkende Individualvereinbarungen und verkürzte Beschaffenheitsangaben die Rechte des Verbrauchers einzuschränken. Die bisherige Rechtssprechung und Fachliteratur ist wie nachfolgend dargestellt als geklärt anzusehen:

1.     Ausschluss der Sachmängelhaftung:

  1. Das Fahrzeug wird unter Ausschluss jeder Gewährleistung verkauft (unzulässig).
  2. Das Fahrzeug wird ohne Garantie verkauft (unzulässig).
  3. Das Fahrzeug wird zu einem Sonderpreis verkauft, da der Käufer etwaige Schäden, Wartungen jeglicher Art selbst behebt oder durchführt (unzulässig).
  4. Der Käufer verzichtet auf etwa bestehende Ansprüche wegen nicht durchgeführter Untersuchung (unzulässig).
  5. Die Vertragschließenden sind sich darüber einig, dass das Kaufobjekt erhebliche Defekte und Schäden aufweist und somit als minderwertig von den Vertragschließenden eingestuft wird. Die Kaufvertragsparteien sind sich ferner darüber einig, dass das Kaufobjekt insgesamt und erheblich nach Beschaffenheit und Güte unterhalb dessen liegt, was für vergleichbare Fahrzeuge nach Alter und Laufleistung allgemein angenommen wir. Die Abweichung nach unten wird mit mindestens 50 % vereinbart (unzulässig).
  6. Unfallschäden sind nicht nachbesserbar oder wurden fachgerecht beseitigt (unzulässig).
  7. Für den Fall, dass nicht eindeutig zwischen Schäden und Verschleiß unterschieden werden kann, werden die Kosten der Instandsetzung zwischen den Vertragsparteien aufgeteilt, sofern eine Instandsetzung aus wirtschaftlichen Gründen zu vertreten ist (unzulässig).
  8. Wegen des Alters des Kraftfahrzeugs, der Laufleistung und unter Berücksichtigung eines notwendigen Abzugs „neu für alt" vereinbaren die Parteien für den Fall eines begründeten Gewährleistungsfalls, dass die Mängelbeseitigung unter Verwendung gebrauchter Ersatzteile durchgeführt werden kann. Die Vertragsschließenden sind sich darüber einig, dass ein Anspruch des Käufers auf Montage von Neuteilen nicht besteht (Satz 1 dieser Klausel ist zulässig; Satz 2 ist unzulässig).

2.     Rollenwechsel zwischen Verbraucher und Unternehmer:

  1. Der Händler gibt sich als Verbraucher aus (unzulässig).
  2. Der Händler tritt als Vermittler auf.
    Hier liegt ein direkter Gesetzesverstoß nicht vor. Ein Verstoß liegt indes dann vor, wenn durch die Wahl des Vermittlungsauftrages die Sachmängelhaftung ausgeschlossen werden soll. Insoweit sind die Einzelheiten jeweils gesondert zu prüfen.
  3. Der Verbraucher schließt den Vertrag „als Unternehmer".
    Hier wird die Rechtsauffassung vertreten, dass sich der Käufer auf seine Verbrauchereigenschaft nur dann berufen kann, wenn der Verkäufer diese kannte oder hätte kennen müssen. Hier ist die Grenze sicherlich fließend. Im Zweifel wird der Verbraucherschutz im Vordergrund stehen müssen.

3.     Haftungsbeschränkende Individualvereinbarungen:

Hier gibt es eine problematische Grauzone zwischen zulässiger Beschaffenheitsvereinbarung und unzulässigem Ausschluss der Haftung für Sachmängel.

Zum einen wird die Auffassung vertreten, dass eine dem Käufer nachteilige Beschaffenheitsvereinbarung dessen Informationslage tatsächlich verbessern muss. Zum anderen wird vertreten, dass die von der üblichen Beschaffenheit abweichende Beschreibung auf einer Tatsachengrundlage beruhen muss und es dem Verkäufer verwehrt ist, das Risiko einer ungewissen Beschaffenheit dem Käufer aufzuerlegen.

Als zulässig wird folgende Klausel angesehen:

"Das Kraftfahrzeug ist hinten lackiert. Unfallfreiheit kann nicht zugesichert werden."

Vieles ist hier noch streitig; eine Abklärung über die Rechtsprechung muss sicherlich abgewartet werden.

4.     Verkürzte Beschaffenheitsangaben:

Bekannt sind aus vielen Anzeigen und Angeboten die Bezeichnungen „Bastlerauto" und „Schrottfahrzeug". Dies ist nicht unbedingt ein Verstoß gegen § 475 BGB. Es handelt sich vielmehr um eine sogenannte abgekürzte Beschaffenheitsangabe, die dem Händler gestattet ist, da man ihm nicht vorschreiben kann, offenkundig reparaturbedürftige Fahrzeuge detailliert zu untersuchen und allumfassende Mängellisten zu erstellen.

Auch hier darf indes der Käufer nicht getäuscht werden. Ein Fahrzeug mit einem „Wasserschaden" nach Sturz in den Hauptkanal oder als Havarieschaden aus einem umgestürzten Auto-Transporter darf sicherlich auch so verkauft werden.

Wenn der Preis den Wert der Kaufsache um mehr als das doppelte übersteigt, wird auch die beste Beschaffenheitsangabe nicht geeignet sein, die Haftung des Händlers auszuschließen.

Auch wenn eine Fahrzeug als „Bastlerauto" oder „Schrottfahrzeug" verkauft wird, aber dennoch anlässlich des Verkaufs eine Hauptuntersuchung durchgeführt wird, ist ebenfalls die Haftung des Händlers gegeben!

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Dr. Schulte • Gerken
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